Das vedische Wissen Indiens

 

Was sind die Veden?

Das Wort Veda geht auf die Sanskritwurzel vid zurück, zu Deutsch "wissen". Das deutsche Wort Weisheit ist auch mit dieser Wurzel verwandt. Weitere Ableitungen findet man beispielsweise im Englischen (wit), im Russischen (vid) und im Lateinischen (videre); denn ein Wissender ist jemand, der die Wahrheit gesehen hat.

Das vedische Wissen ist zeitlos und hat seinen Ursprung in den uralten Sanskrit-Texten Indiens, die alle Bereiche des menschlichen Wissens abdecken. Dazu gehören Kunst, Architektur (Vastu), Heilkunde (Ayurveda), Yoga, vedische Psychologie, Astrologie (Jyotisch), Kochkunst und viele anderen Bereiche des Lebens.

Palmblatt mit vedischen Texten
Palmblatt mit vedischen Sanskrit Texten

Die maßgeblichsten und fast überall anerkannten heiligen Schriften der Welt sind die Veden. Die Veden bestehen aus vier Teilen: Rig-Veda, Sama-Veda, Yayur-Veda und Artharva-Veda. Sie sind sehr umfangreiche Sanskritwerke über die verschiedensten Wissensgebiete. Der Vedische Wissensschatz (soweit er uns heute noch zugänglich ist) behandelt zum Beispiel: vedische Baukunst, ganzheitliche Heilkunde bis hin zu komplizierten Operationstechniken an Auge und Gehirn, fortschrittliche Agrar- und Bewässerungstechnik, Kriegskunst, Bau und Anwendung von Flugzeugen, und vor allem viele tiefe Einsichten in die Transzendenz und Spiritualität.

Die Veden sind für einen Durchschnittsmenschen sehr schwer zu verstehen. Deshalb werden die vier Veden in den 18 Purāṇas und in dem Mahābhārata genannten historischen Epos erklärt. Auch das Rāmāyana ist ein historisches Epos, in dem alle wichtigen Unterweisungen der Veden enthalten sind.

Veda bezeichnet also den Kenntnisstand der indischen Kultur seit über 5000 Jahren. Dieses Wissen ist in verschiedene Kulturen eingegangen. Viele daraus abgeleitete Lehren und Techniken haben bis heute überdauert. Ein Beispiel ist die Heilkunst Ayurveda, was wörtlich übersetzt bedeutet: die Kunst vom langen Leben.

Allen gemein ist ein ganzheitliches Verständnis des Menschen an sich und des Menschen in seiner Umgebung. In der vedischen Heilkunde wird immer die wechselseitige Abhängigkeit von Köper, Geist und Seele berücksichtigt, um einen ausgeglichenen Zustand zu erreichen.

Die heiligen Schriften Indiens, die die Essenz des vedischen Wissens enthalten, werden oft mit der Sonne verglichen, denn sie vertreiben die Finsternis aus den Herzen der Menschen:

"Wenn aber jemand mit dem Wissen erleuchtet ist, durch das die Unwissenheit zerstört wird, dann offenbart sein Wissen alles, ebenso wie die Sonne am Tage alles erleuchtet." (Bhagavad-gita 5.16)

Die vedische Literatur ist so umfangreich, daß es heutigen Gelehrten, die sich ausschließlich mit dem Studium der vedischen Schriften beschäftigen, schwer fallen dürfte, sie alle im Laufe eines Lebens im Sanskrit-Original zu studieren. Um sich eine Vorstellung vom Umfang der vedischen Literatur zu machen, ein paar Beispiele: Rig-Veda besteht ursprünglich aus über 1000 Hymnen mit hunderttausenden von Versen, Manu-smriti umfaßt ca. 2500 Verse, Mahabharata 100000 Doppelverse, Ramayana 24000, Srimad-Bhagavatam 18000 Verse und die Puranas bestehen zusammen aus über 300.000 Versen, wovon heute nicht mehr alle vorhanden sind.

Die Schriften zu studieren ist eine Sache und sie korrekt zu verstehen eine andere. Akademische Gelehrsamkeit allein nützt wenig. Im Srimad-Bhagavatam unterweist der Höchste Herr Seinen Geweihten Uddhava mit folgenden Worten:

"Wenn jemand durch akribisches Studium geschickt wird im Lesen vedischer Literatur, aber keine Bemühung unternimmt, den Geist auf die Persönlichkeit Gottes zu fixieren, dann gleicht seine Bemühung der eines Mannes, der sehr hart arbeitet, um für eine Kuh zu sorgen, die keine Milch gibt. Mit anderen Worten, die Frucht seines mühsamen Studiums des vedischen Wissens ist die Mühe selbst, ohne ein anderes greifbares Resultat. Mein lieber Uddhava, jener, der für eine Kuh sorgt, die keine Milch gibt; eine untreue Frau; ein Körper, der völlig von anderen abhängig ist; nutzlose Nachkommen und Reichtum, der nicht für den richtigen Zweck verwendet wird, sind sicherlich höchst erbärmlich. In gleicher Weise ist jemand, der vedisches Wissen studiert, das bar meiner Herrlichkeit ist, höchst erbärmlich." (Srimad-Bhagavatam 11.11.18-19)

Diejenigen, die die Vedas (vedischen Schriften) bei unautorisierten, materialistischen Lehrern studieren, können ihre Schlußfolgerungen nicht begreifen und verschwenden lediglich ihre Zeit. An einer weltlichen Universität wird man kaum ein klares Verständnis der Vedas und ihrer tiefgründigen Lehren erlangen können. Die vielen Mutmaßungen über die Veden und spekulativen Kommentare zu den Veden bilden den Beweis dafür. Es ist nicht der Sinn der Vedas, daß man sie studiert, um anschließend herumzuspekulieren, mit Geschichtszahlen zu jonglieren und materialistische Dissertationen darüber zu verfassen, wie oft bestimmte Wörter in welchen Teilen, in welchen Zusammenhängen etc. gebraucht werden. Die Vedas wurden zum besten Nutzen aller verfaßt, doch solche Art der Ausschlachtung nutzt niemandem.

Die Vedas werden allgemein als älteste Schriften anerkannt und keine Kultur, auch später nicht, hat jemals vergleichbare Literatur hervorgebracht.

Die Veden befassen sich mit allen denkbaren Themen menschlichen Wissens und menschlicher Kultur. Eine Kultur des Wissens ist genau das, was wir als Wissenschaft bezeichnen.

Die vedische Kultur ist die älteste Hochkultur der Menschheit, und hat ein umfangreiches Werk von Schriften hervorgebracht, doch das zentrale Thema, das all diese Texte zu einer Einheit zusammenfügt, ist das Streben nach Selbst- und Gotteserkenntnis.

Das Ziel der vedischen Schriften ist es, den Menschen zu spiritueller Erkenntnis zu führen, und die Kultur, die auf diesen Schriften aufgebaut ist, gibt dem Menschen die optimalen Voraussetzungen, um das so formulierte Ziel des menschlichen Lebens zu erreichen.

Die Vielfalt der philosophischen Ansichten und der verschiedenen Wege zur Selbsterkenntnis, die in den vedischen Schriften enthalten sind, ist ein Ausdruck menschlicher Vielfalt. Die Veden haben keinen vorgefertigten Weg, der für jeden Menschen paßt, sondern fächern ein unbegrenztes Spektrum verschiedener Wege und philosophischer Betrachtungsweisen auf, die die Menschen entsprechend ihrer unterschiedlichen Bewußtseinsentwicklung und Neigungen ansprechen und inspirieren, sich zu erheben. Diesem Spektrum liegt jedoch ein einheitliches System des Wissens zugrunde.

Siehe auch: » Die Lehre der Veden «

 

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